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    MIT FLEIß UND EHRGEIZ AN DIE SPITZE; SUSIANNA KENTIKIAN
    Eva Eusterhus

    Welt am Sonntag
    11. Februar 2007

    Susianna Kentikian kam als Fluchtlingskind nach Hamburg und begann
    nur durch Zufall mit dem Boxen. Mittlerweile gilt sie als Nachfolgerin
    von Regina Halmich. Am Freitag kampft sie um den WM-Titel

    TEXT:

    Manche nennen sie "Fliege". Auf den ersten Blick konnte die
    Beschreibung vielleicht noch zutreffen. Spatestens aber wenn
    Susianna Kentikian die Arme uber der Brust verschrankt oder sich
    zurucklehnt, die Beine ubereinander schlagt und sich die Jeanshose
    an den Oberschenkeln spannt, weicht man ein Stuck zuruck.

    Die junge Frau mit den dunklen, welligen Haaren, dem madchenhaftem
    Gesicht und den zierlichen Handen ist Profiboxerin und Internationale
    Deutsche Meisterin im Fliegengewicht. Fur Peter Hanraths, den
    ehemaligen Geschaftsfuhrer von Universum, ist sie das "großte Talent im
    Frauenboxen". Er hat die geburtige Armenierin entdeckt und war schnell
    begeistert von ihrer Entschlossenheit, ihrem Siegeswillen, ihrem Biss.

    "Eigentlich ware sie die Herausforderin von Regina Halmich. Der gehen
    wir aber aus dem Weg und boxen um den WBA-Titel", sagt ihr Manager
    Dietmar Poszwa. Am kommenden Freitag wird das 19-jahrige Boxtalent
    in Koln gegen Gegnerin Carolina Alvarez aus Venezuela antreten.

    Seit Anfang 2005 ist Kentikian bei Spotlight-Boxing, einer
    Nachwuchs-Sparte von Universum Box Promotion, unter Vertrag. Seitdem
    hat sie 14 Kampfe geboxt und alle gewonnen, allein elf durch
    technischen K.o. Sie wiegt 50 Kilo und misst 1,53 Meter. Wird sie
    gefragt, wie groß sie sei, dann lautet die Antwort meist 1,55 Meter.

    "Ich runde das auf, weil die Leute immer horen wollen, wie klein
    ich bin."

    Irgendwie passt die Anekdote zu ihr, denn bisher hat es zu ihrer
    Geschichte gehort, dass sie immer ein Stuck großer sein wollte, als es
    das Leben fur sie vorgesehen hatte. Denn wenn das abgedroschene Bild
    von einem Menschen, der sich "durchgeboxt hat", zu jemanden passt,
    dann wohl zu ihr, dem Fluchtlingskind. Geboren in einem kleinen
    armenischen Dorf, wuchs sie als Kind im Krieg auf.

    Als Susianna sieben Jahre alt war, sollte der Vater in den
    Armeedienst eingezogen werden. Damals floh die Familie zu Verwandten
    nach Deutschland. Die ersten eineinhalb Jahre lebten sie auf einem
    Fluchtlingsschiff an der Elbe in Altona. Die Enge in den Raumen und
    die Tatsache, dass man mit mehreren Menschen in einem Raum schlief,
    das alles kann sie sich heute gar nicht mehr vorstellen.

    In dem Umfeld, in dem sie lebte, gehorte Gewalt zum Alltag. Das
    anderte sich auch in den folgenden Jahren nicht, als die Familie in
    einem Asylantenwohnheim lebte. Doch statt mit Aggression antwortete
    sie mit Disziplin und Fleiß und Ehrgeiz: Morgens ging sie in die
    Schule, abends verdiente sie als Putzfrau ein paar Mark dazu, damit
    die Familie uber die Runden kam.

    Sie war zwolf Jahre alt, als sie ihr Bruder eines Abends mit zum
    Boxtraining nahm. Jemand warf ihr ein paar Handschuhe zu und meinte,
    wer herkomme, musse auch was tun. "Noch nie zuvor war ich korperlich
    so gefordert worden", sagt sie. "Dieses Gefuhl, weiterzumachen, wenn
    man eigentlich am Ende ist, das hat mich von Anfang an begeistert."

    Es dauerte nicht lange, da begann sie mehrmals pro Woche zu
    trainieren. Sie bewies Talent und ging auf Titeljagd, wurde Hamburger
    Meisterin, norddeutsche Meisterin, internationale deutsche Meisterin.

    Dabei mussten sie und ihre Familie bis 2004 mit der Abschiebung
    rechnen. Mittlerweile wurde der Familie ein dauerhaftes Bleiberecht
    eingeraumt.

    Anfang 2005 bekam Kentikian dann ihren ersten Profivertrag. Obwohl
    sie sich mittlerweile eine eigene Wohnung leisten konnte, wohnt
    sie noch mit ihren Eltern und dem Bruder in einer Mietwohnung in
    Rahlstedt. Von hier aus fahrt sie an sechs Tagen in der Woche zum
    Training ins Universum-Gym.

    Kentikian ist dankbar fur das, was sie bisher erreicht hat, und
    trotzdem ist ihr das naturlich noch nicht genug: Ganz oben will sie
    mitboxen. Kein Wunder, dass ihr großtes Vorbild Regina Halmich ist:
    "Sie hat bewiesen, dass Boxen nichts mit Draufhauen zu tun hat,
    sondern mit Technik und Taktik." Wenn sie in den Ring steige, sei sie
    eine andere, sagt Kentikian. Das Einzige, was dann zahle, sei prazise
    und taktisch klug zu boxen. Ihr schonstes Kompliment bekam sie von
    Regina Halmich selbst, die ihr sagte, sie sei eine kluge Boxerin.

    Um ihren Hals tragt Susianna Kentikian eine Kette, an der ein
    halbrundes Amulett hangt. Es ist ein Geschenk ihrer Mutter und stellt
    ein Auge dar, das sie vor Neidern beschutzen soll. Bevor sie in den
    Ring steigt, legt sie die Kette ab. "Da nutzt dann kein Aberglaube",
    sagt sie und lacht, "da zahlen nur noch gute Haken."

    Sie ist 1,53 Meter groß, 50 Kilo schwer und schickt ihre Gegnerinnen
    reihenweise zu Boden: Profiboxerin Susianna Kentikian, 19

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