Announcement

Collapse
No announcement yet.

Mahnmal Fur Die Armenier: "La Masseria Delle Allodole" Von Paolo Und

Collapse
X
 
  • Filter
  • Time
  • Show
Clear All
new posts

  • Mahnmal Fur Die Armenier: "La Masseria Delle Allodole" Von Paolo Und

    MAHNMAL FUR DIE ARMENIER; "LA MASSERIA DELLE ALLODOLE" VON PAOLO UND VITTORIO TAVIANI
    Alexandra Seitz

    Berliner Zeitung
    14. Februar 2007 Mittwoch

    Der wohl brisanteste Film der 57. Berlinale ist "La Masseria delle
    Allodole (The Lark Farm)" von Paolo und Vittorio Taviani. Er basiert
    auf dem Roman "Das Haus der Lerchen", in dem die italienische
    Literaturprofessorin Antonia Arslan teilweise die Geschichte ihrer
    eigenen armenischstammigen Familie rekonstruiert. Geschildert wird das
    Martyrium der Avakians, die dem Volkermord an den turkischen Armeniern
    zum Opfer fallen. Je nach Schatzung forderten die Massaker und
    Todesmarsche, die sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Osmanischen
    Reich zutrugen, eine halbe bis eineinhalb Millionen Tote.

    Nach wie vor tut sich die turkische Regierung außerordentlich schwer
    damit, einen angemessenen Umgang mit den historischen Ereignissen
    zu finden: Von einem "Genozid" konne keine Rede sein, heißt es,
    vielmehr habe es sich um Reaktionen auf armenische Ubergriffe oder
    Kollateralschaden des turkischen Befreiungskrieges gehandelt. Wie
    heikel das Thema ist, wurde erst vor wenigen Wochen wieder deutlich,
    als der armenisch-turkische Journalist Hrant Dink ermordet wurde.

    Kurz darauf bedrohte der Attentater auch den turkischen
    Literatur-Nobelpreistrager Orhan Pamuk. Der war wegen seiner
    Kritik an der Leugnung des Genozids bereits einmal wegen
    "Beleidigung des Turkentums" angeklagt. Auch die EU meidet, um die
    Beitrittsverhandlungen mit der Turkei nicht zu belasten, das Wort
    "Volkermord".

    Vor diesem Hintergrund erhalt "La Masseria delle Allodole"
    seine Bedeutung: als couragierte Absage an eine Verschworung des
    Verschweigens. Ein Schweigen, das zahllose Tote ein zweites Mal auf
    dem diplomatischen Parkett opfert. Ihr Film sei aus einem Gefuhl
    der Schuld heraus entstanden, erklaren die Bruder Taviani: Schuld,
    weil das armenische Volk schon viel zu lange auf eine angemessene
    Erinnerung an das ihm zugefugte Unrecht wartet. Schuld, weil Suhne
    immer noch aussteht. Nun mag das Werk der beiden Altmeister des
    italienischen Kinos im Dienst einer guten Sache stehen. Allein,
    es braucht auch guten Willen, um darin einen gegluckten Film zu sehen.

    Die Handlung kommt schwer in Gang; spater verliert sie sich
    wiederholt in Fragmenten von Parallelgeschichten. Zudem drohen
    Kolportage-Elemente und Chargen-Klischees den außer Frage stehenden
    Schrecken des Geschehens zu unterminieren. Alles ist immer deutlich
    exemplarisch gemeint. In der Folge fuhlt man nicht mit den Figuren,
    sondern entsetzt sich auf abstrakter Ebene uber ihre Situation. Das
    Ganze wirkt gerade so, als seien die Tavianis erstarrt angesichts
    des Grauens, das zu zeigen sie sich vorgenommen haben. Erstarrt wie
    Frau Avakian, als man ihr den abgeschlagenen Kopf ihres Mannes in
    den Schoß wirft.

    Dass er das Verdrangte in Bilder fassen will, wird "La Masseria
    delle Allodole" letztlich zum Verhangnis. Denn das Verdrangte dringt
    hier mit einer Macht an die Oberflache, vor der mogliche filmische
    Vermittlungsstrategien kapitulieren. Einen Film uber einen Volkermord
    zu drehen ist riskant, weil seine reale Gewalt das Denken sprengt.

    La Masseria delle Allodole: 14.2. 21.30 Uhr, Filmpalast; 15.2. 17.45
    Uhr, Cubix.

    --Boundary_(ID_rl4ATcMfbis5GKb9XJfeUQ)--
Working...
X