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Auftakt zum Armenier-Prozess in Lausanne (German)

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  • Auftakt zum Armenier-Prozess in Lausanne (German)

    7. März 2007, Neue Zürcher Zeitung

    Auftakt zum Armenier-Prozess in Lausanne
    Genozid-Leugner Dogu Perincek wiederholt sich
    Am Dienstag hat vor dem Lausanner Polizeigericht der Prozess gegen den
    türkischen Politiker Dogu Perincek wegen Verletzung der
    Rassismus-Strafnorm begonnen. Perincek bestätigte vor Gericht, dass er
    den Genozid an den Armeniern 1915 für eine internationale Lüge
    hält.

    C. Bi. Lausanne, 6. März

    Das Positive vorweg: Der von der Polizei gefürchtete und da und dort
    vielleicht erhoffte Aufruhr rund um den Lausanner Armenien-Prozess fand
    zumindest am ersten Tag nicht statt. Einige Dutzend Anhänger von
    Perincek führten zwar am Dienstagmorgen in der Lausanner Innerstadt
    eine Kundgebung durch; diese verlief aber durchaus friedlich und ohne
    Provokationen. Hingegen war das Gelände beim Bezirksgericht von der
    Kantonspolizei zu Beginn des Prozesses weitgehend abgeriegelt worden.
    Auch ein von Perincek geplanter Kongress zur Armenien-Frage durfte nicht
    in der Agglomeration Lausanne stattfinden und sollte heute Mittwoch in
    einem Hotel in der Nähe von Neuenburg über die Bühne gehen.

    «Massaker ja, Völkermord nein!»
    Zu Beginn des Prozesses wurde der Angeklagte einvernommen. Die Befragung
    dauerte mehrere Stunden, da Perincek deutsch sprach und deshalb
    übersetzt werden musste und weil er jede Frage des Richters
    Pierre-Henri Winzap mit ausschweifenden Diskursen beantwortete - wenn er
    sie beantwortete. Der vom Linkspolitiker zum Neo- Nationalisten
    gewordene Politiker bestätigte, was er letztes Jahr an öffentlichen
    Kundgebungen in Lausanne und Opfikon gesagt hatte, nämlich dass die
    Türken 1915 - im Ersten Weltkriegs - keinen Völkermord an der
    armenischen Bevölkerung begangen hätten. Er bestätigte ebenfalls,
    dass er das «sogenannte Armenier-Genozid», wie er es nennt, als eine
    von den imperialistischen Mächten verbreitete internationale Lüge
    betrachtet. Der Führer der kleinen türkischen Arbeiterpartei stritt
    hingegen nicht ab, dass Türken an den Armeniern - aber auch umgekehrt
    - Massaker verübt hätten und dass es zu einer systematischen
    Deportation armenischer Menschen nach Mesopotamien gekommen sei, bei der
    unzählige Armenier ums Leben kamen.

    Genozid ja oder nein?
    Auch die weiteren Verhandlungen waren ganz der Frage gewidmet, ob die
    1915 erfolgten Massaker und Deportationen als Genozid zu qualifizieren
    seien oder nicht. Mehrere von der Verteidigung zitierte Zeugen - drei
    Historiker und Publizisten aus den Vereinigten Staaten beziehungsweise
    aus Frankreich und Deutschland - vertraten die Meinung, dass es nicht
    bewiesen sei, dass es sich um eine systematische und von den Behörden
    des Osmanischen Reichs betriebene Ausrottungsaktion gehandelt habe.
    Allerdings waren auch interessante Nuancen auszumachen. Während der
    französische Publizist Jean-Michel Thibaux dem osmanischen
    Innenminister Talat Pascha durchaus Ausrottungsabsichten zutraute, sagte
    der amerikanische Historiker Justin McCarthy, es gebe keine
    entsprechenden Beweise. Der Amerikaner wurde beim Verlassen des
    Gerichtsgebäudes von Perincek-Anhängern, die inzwischen Zugang zur
    Esplanade bekommen hatten, wie ein Fussballstar beklatscht.

    Die deutsche Genozid-Forscherin Tessa Hofmann, die als Zeugin der
    Privatklägerin, der Gesellschaft Schweiz-Armenien, auftrat,
    argumentierte dagegen, der Genozid an den Armeniern sei eine Tatsache,
    die nicht nur von der Mehrheit der Historiker, sondern auch von der
    Uno-Menschenrechtskommission und von vielen supranationalen und
    nationalen Instanzen längst anerkannt wurde. In diesem Sinn äusserte
    sich auch der Waadtländer Staatsanwalt Eric Cottier.

    Die Frage der Motivation
    Die Verhandlungen werden am Donnerstag wieder aufgenommen. Dabei wird
    wohl die Frage im Vordergrund stehen müssen, mit welchen Motiven
    Perincek ein Genozid an den Armeniern leugnet. Denn nach der Schweizer
    Rassismus- Strafnorm (Artikel 261bis des Strafgesetzbuchs) genügt es
    nicht, dass jemand einen Völkermord - oder ein Verbrechen an der
    Menschlichkeit - leugnet, gröblich verharmlost oder rechtfertigt, um
    bestraft zu werden; er muss dies zudem aus Gründen der Rasse, der
    Ethnie oder der Religion der vom Genozid betroffenen Menschen tun. Vor
    Gericht erklärte Perincek, er sei kein Rassist, im Gegenteil: Er
    bekämpfe Rassismus. Es wird sich zeigen, ob dies für einen
    Freispruch ausreicht.
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