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Die Armenien-Resolution des US-Kongresses spielt den turkischen ...

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    Süddeutsche Zeitung
    12. Oktober 2007


    Worte, die Unheil anrichten;
    Die Armenien-Resolution des US-Kongresses spielt den türkischen
    Nationalisten in die Hände



    Von Kai Strittmatter

    Auch eine kaputte Uhr zeigt zweimal am Tag die richtige Zeit an, sagt
    ein türkisches Sprichwort. Dem amerikanischen Präsidenten muss auch
    derjenige manchmal recht geben, der ansonsten nicht viel von ihm
    hält. Am Mittwoch sagte George W. Bush das Richtige. "Diese
    Resolution ist nicht die rechte Antwort auf die historischen
    Massaker", warnte er den Auswärtigen Ausschuss des
    Repräsentantenhauses. Gleich danach tat der Ausschuss das Falsche: Er
    erklärte die türkischen Massaker an den Armeniern nach 1915 offiziell
    zum "Völkermord".

    Nun gibt es nicht wenige Historiker, die diese Einschätzung teilen.
    Und ja, die meisten Türken, Regierung wie Volk, sind unter dem
    Einfluss einer manipulierten Geschichtsschreibung noch immer nicht
    bereit, sich dem zu stellen, was damals wirklich geschehen ist im
    Osmanischen Reich, dem Vorgängerstaat der heutigen Republik: die
    Vernichtung und Vertreibung der Armenier aus Anatolien. Der Beschluss
    aus Washington kommt also moralisch wohlfeil daher - und trotzdem ist
    er mehr als nur überflüssig.

    Er könnte großen Schaden anrichten, und zwar auf gleich zwei Ebenen:
    Sabotiert werden fundamentale realpolitische Interessen, sabotiert
    werden aber auch die Bemühungen um Wahrheitsfindung in der Türkei
    selbst. Zuerst zur Realpolitik: Nicht weniger als acht frühere
    US-Außenminister, unter ihnen Madeleine Albright und Henry Kissinger,
    haben gegen die Resolution gekämpft. Denn die USA und der Westen
    brauchen die Türkei als zuverlässigen Verbündeten. Das Land unterhält
    die zweitgrößte Armee innerhalb der Nato und ist ein wichtiger Anker
    der Stabilität in einer zunehmend feindseligen und instabilen Region.
    Ein großer Teil des Nachschubs für die US-Truppen gelangt durch die
    Türkei in den Irak und nach Afghanistan. Schon drohen in Ankara
    manche damit, die US-Luftwaffenbasis im türkischen Incirlik zu
    schließen.

    Fatal ist jedoch vor allem der Zeitpunkt: Die Resolution fällt in
    eine ansteigende Welle von anti-amerikanischer und anti-westlicher
    Rhetorik in der Türkei. "Dafür werden sie bezahlen!", war die
    Schlagzeile der Zeitung Vatan am Donnerstag. Vor allem die Tatsache,
    dass die USA nichts gegen die PKK-Terrorgruppen im Irak unternehmen,
    die von dort aus Anschläge in der Türkei planen, hat viele Türken
    verbittert. Es wird kaum ein Zufall sein, dass die Entscheidung
    Ankaras für grenzüberschreitende Militäroperationen in den Nordirak
    zusammenfällt mit der Resolution in Washington. Erdogan steht nach
    blutigen PKK-Angriffen zunehmend unter Druck von nationalistischen
    und militaristischen Kreisen im Land, die ihn wegen seiner bisherigen
    Politik der Mäßigung stets als Büttel der Amerikaner verhöhnten.

    Nun feiert vor allem die armenische Diaspora die Resolution als Sieg
    der Moral über die Interessenpolitik. Doch die Sache ist
    komplizierter. In den vergangenen Jahren ist in der Türkei
    Denkwürdiges geschehen. Die alten Tabus haben Risse bekommen,
    Intellektuelle, Autoren und Journalisten drängen auf eine echte
    Aufarbeitung der Massaker. Erstmals wurden Konferenzen zu den
    Armenier-Morden abgehalten, Romane zu dem Thema veröffentlicht. Bei
    den zaghaften Versuchen, die Vergangenheit aufzuarbeiten, helfen die
    Resolutionen ausländischer Parlamente nicht. Im Gegenteil, sie
    spielen den Nationalisten und Leugnern in die Hände. Nicht umsonst
    hat der armenischstämmige Istanbuler Journalist Hrant Dink vor seiner
    Ermordung stets gesagt: Ja, es war Völkermord - aber, um Himmels
    willen, verschont uns mit euren Resolutionen.

    Die Dinge drohen nun aus dem Ruder zu laufen, auf beiden Seiten des
    Atlantiks. Aber noch ist es nicht zu spät. Das amerikanische
    Repräsentantenhaus selbst wird erst im November über die Resolution
    abstimmen. Es sollte dem Ausschuss nicht folgen.
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