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Noch immer ist die Rolle Deutschlands =?UNKNOWN?Q?w=E4hrend?= derVer

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  • Noch immer ist die Rolle Deutschlands =?UNKNOWN?Q?w=E4hrend?= derVer

    Stuttgarter Zeitung, Deutschland
    19. April 2005


    The role of Germany during the Armenian deportation is still not
    established


    Einfach die Augen vor dem Grauen verschlossen;
    Noch immer ist die Rolle Deutschlands während der Vertreibung der
    Armenier nicht vollständig aufgeklärt

    Keine europäische Macht wollte am Vorabend des Ersten Weltkrieges dem
    Volk der Armenier helfen. Vor allem in Deutschland verschlossen die
    Mächtigen trotz Berichten über Gräuel die Augen. Sie wollten den
    türkischen Verbündeten gegen Russland auf keinen Fall verlieren.

    von Knut Krohn

    Der preußische General Colmar von der Goltz war ein Mann mit vielen
    Talenten - und darüber hinaus sehr ehrgeizig. So war es nicht
    verwunderlich, dass in Berlin die Wahl auf ihn viel, als es im Jahr
    1882 darum ging, Armee und Offizierskorps des Osmanischen Reiches zu
    modernisieren. Der Offizier löste seine Aufgabe so gut, dass
    "Goltz-Pascha" schließlich Oberbefehlshaber der I. und VI.
    osmanischen Armee und von Kriegsminister Enver Pascha zum
    persönlichen Berater ernannt wurde. Er sei es auch gewesen, der schon
    zur Jahrhundertwende ein geopolitisches Konzept für die Türkei
    skizzierte, nach dem diese ausschließlich islamisch und asiatisch
    sein müsse - womit kein Platz mehr für das christlich-armenische
    Element gewesen sei. Das schreibt Vahakn Dadrian in dem Buch "Der
    Völkermord an den Armeniern 1915/16". Goltz sei es auch gewesen, so
    der Direktor des Zoryan-Instituts für Genozidstudien in Toronto
    weiter, der am Vorabend des Ersten Weltkrieges eine umfassende
    Deportation der Armenier in die Wüste Mesopotamiens vorgeschlagen
    habe, um eine religiös-homogene muslimische Bastion zu schaffen und
    damit ein Bollwerk gegen das expansionistische Russland.

    All diese Aussagen bezeugen, dass das Verhältnis zum Osmanischen
    Reich nicht nur auf die außerordentlich guten freundschaftlichen
    Beziehungen gegründet war. Dahinter standen handfeste militärische
    und wirtschaftliche Interessen. Vor und während des Ersten
    Weltkrieges suchte Berlin nach Waffenbrüdern. Am Bosporus fand man
    den wichtigsten Bündnispartner gegen die Russen. Und der Bau der
    Bagdadbahn war nicht nur eine wirtschaftliche Investition
    gigantischen Ausmaßes, sondern unterstrich darüber hinaus die
    imperiale Rolle des Deutschen Reiches. Allein aufgrund dieser
    vielfältigen Verbindungen konnten den Mächtigen in Berlin die
    Deportationen der Armenier und das damit zusammenhängende Morden
    nicht verborgen bleiben. Dokumentiert werden diese tief greifenden
    Verflechtungen in dem Buch "Der Völkermord an den Armeniern 1915/16".
    In akribischer Manier wurden von Wolfgang Gust unzählige Berichte und
    Depeschen von Konsuln, Botschaftern, Offizieren und anderen
    Augenzeugen gesammelt. Sie spiegeln ein erschreckendes Bild von den
    Vorgängen im untergehenden Osmanischen Reich wider.

    So schreibt der der junge Oberstleutnant Stange am 23. August 1915 an
    die deutsche Militärmission in Konstantinopel. Die Ausweisung der
    Armenier aus der Stadt Erserum "ist ein Musterbeispiel für die
    rücksichtslose, unmenschliche und gesetzwidrige Willkür, für
    tierische Rohheit sämtlicher beteiligter Türken gegenüber der ihnen
    tief verhassten und als vogelfrei angesehenen Bevölkerungsklasse".
    Und: "Die Armenier von Ersindjan wurden allesamt ins
    Kemach-(Euphrat)Tal getrieben und dort abgeschlachtet."

    Aus dem ganzen Land kamen immer neue solche Schreckensmeldungen, was
    die deutschen Diplomaten allerdings nicht zum Handeln veranlasste -
    im Gegenteil. Hans Humann, deutscher Marineattaché an der Botschaft
    in Konstantinopel, ließ in einer handschriftlichen Notiz wissen: "Die
    Armenier (. . .) wurden jetzt mehr oder weniger ausgerottet. Das ist
    hart, aber nützlich." Humann hatte damit auf einen Bericht des
    deutschen Vizekonsuls in Mossul, Walter Holstein, reagiert. Der hatte
    am 10. Juni 1915 geschrieben, dass 614 aus Dijarbakir verbannte
    Armenier auf der Reise sämtlich abgeschlachtet worden seien. Und
    wenig später analysierte der Militärattaché messerscharf die
    gesamtpolitische Situation: "Die türkische Regierung benutzt die
    Kriegszeit und das anderweitig gefesselte Interesse Europas, um die
    ganze armenische Frage brevi manu gewaltsam zu erledigen."

    Hans Humann sollte Recht behalten. Kein Land in Europa wollte oder
    konnte in jenen Tagen dem Völkermord an den Armeniern wirklich
    Einhalt gebieten. Und es schien, dass die Gräuel dem Vergessen anheim
    fallen könnten. So wurden 1923 im Lausanner Friedensvertrag mit dem
    neuen türkischen Nationalstaat die Armenier mit keinem Wort mehr
    erwähnt. Es galt jetzt, Ankara einzubinden, um die aufkommende
    Sowjetmacht zu kontrollieren. Gut zwei Jahrzehnte später macht der
    Kalte Krieg die Türkei als Nato-Partner noch unentbehrlicher.

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