Announcement

Collapse
No announcement yet.

Turkischer President reist zu Fusball-Landerspiel nach Armenien

Collapse
X
 
  • Filter
  • Time
  • Show
Clear All
new posts

  • Turkischer President reist zu Fusball-Landerspiel nach Armenien

    Frankfurter Rundschau, Deutschland
    3. September 2008



    Diplomatie auf der Tribüne;

    Türkischer Präsident reist zu Fußball-Länderspiel nach Armenien /
    Zaghafte Annäherung

    VON GERD HÖHLER

    Fliegt er? Oder fliegt er nicht? Seit Wochen rätselten die Diplomaten
    in Ankara, spekulierten die Medien. Jetzt ist es amtlich: der
    türkische Präsident Abdullah Gül fliegt - am Samstag in die armenische
    Hauptstadt Eriwan. Im Stadion Hrazdan ist für ihn die Ehrenloge
    reserviert. Dort soll er gemeinsam mit seinem armenischen Kollegen
    Sersch Sarkissjan das WM-Qualifikationsspiel Armenien-Türkei
    verfolgen.

    Lange haben Gül und die türkische Regierung beratschlagt, ob man die
    Einladung annehmen soll. Denn das Auswärtsspiel findet in Feindesland
    statt. Zwar erkannte die Türkei als eines der ersten Länder Armenien
    völkerrechtlich an, nachdem es sich 1991 von der Sowjetunion losgesagt
    hatte. Doch schon 1993 brach Ankara die Beziehungen wieder ab. Grund
    war Armeniens militärischer Vorstoß nach Berg-Karabach, eine
    armenische Enklave, die völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehört.

    Sorge um Georgiens Stabilität
    Seither hat die Türkei ihre Landgrenze zu Armenien
    geschlossen. Gänzlich eingefroren sind die Beziehungen aber
    nicht. Zehntausende armenische Gastarbeiter leben in der Türkei. Es
    gibt auch planmäßige Flugverbindungen zwischen beiden
    Ländern. Armenische und türkische Diplomaten haben überdies während
    der vergangenen Jahre in mehreren Geheimtreffen Möglichkeiten einer
    Annäherung ausgelotet. Das jüngste Treffen fand Anfang Juli in Bern
    statt.

    Dass Gül sich jetzt zu der Reise nach Eriwan entschloss, hat auch mit
    der Kaukasuskrise zu tun. Sie hat der Annäherung an Armenien eine ganz
    neue Dringlichkeit gegeben. Der Türkei wurde bewusst, wie groß ihre
    Abhängigkeiten sind: Georgien ist ihr wichtigster Korridor für
    Energie-Importe aus der Region am Kaspischen Meer und zugleich ihr
    einziges Transitland für Exporte nach Mittelasien. Der
    russisch-georgische Konflikt lässt auch ein erst kürzlich gestartetes
    kaukasisches Verkehrsprojekt in neuem, zweifelhaftem Licht erscheinen:
    den Bau einer Bahnstrecke vom türkischen Kars über Georgien nach
    Aserbaidschan. Von dort soll sie, der historischen Seidenstraße
    folgend, eines Tages bis nach China führen. Abgesehen von den Zweifeln
    über die politische Stabilität Georgiens wäre die traditionelle Route
    über Armenien viel kürzer. Auch Armenien würde für seinen Handel mit
    dem Westen von der Öffnung der türkischen Grenze profitieren.

    Armenische Ansprüche
    Armeniens Präsident Sarkissjan sieht denn auch in Güls Besuch "das
    Symbol eines Neubeginns in unseren Beziehungen". Doch trotz des
    präsidialen Fußballabends bleibt Zündstoff. So erkennt Armenien den
    Grenzverlauf mit der Türkei bisher nicht an, sondern erhebt
    Gebietsansprüche auf die türkischen Provinzen Van und Kars. Und dann
    ist da der Streit um die Armenierverfolgungen im Osmanischen Reich,
    die Eriwan als "Völkermord" anprangert. Hier immerhin zeichnet sich
    ein Modus Vivendi ab: Armenien verlange als Voraussetzung für eine
    Normalisierung der Beziehungen nicht, dass die Türkei den Genozid
    anerkenne, sagte Präsident Sarkissjan kürzlich der Istanbuler Zeitung
    Radikal. Der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan hat dazu eine
    bilaterale Historikerkommission vorgeschlagen.

    Erdogan und Gül müssen darauf achten, das mit Armenien zutiefst
    verfeindete Aserbaidschan nicht zu verprellen. Mit den
    Aserbaidschanern verbindet die Türken nicht nur eine ethnische
    Verwandtschaft. Auch als Erdgaslieferant ist Baku wichtig, will die
    Türkei ihre Position als Energiekorridor zwischen Mittelasien und
    Westeuropa ausbauen.

    From: Emil Lazarian | Ararat NewsPress
Working...
X