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Spiegel: Friedenspreis Des Deutschen Buchhandels

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    http://www.spiegel.de/kultur/literatur/0,1518,3616 72,00.html

    FRIEDENSPREIS DES DEUTSCHEN BUCHHANDELS

    Orhan Pamuk ist neuer Preisträger

    Er gehe "wie kein anderer Dichter unserer Zeit den historischen Spuren
    des Westens im Osten und des Ostens im Westen" nach, hieß es heute in
    Frankfurt: Der türkische Schriftsteller Orhan Pamuk steht für den
    anspruchsvollen Dialog von Orient und Okzident. Jetzt wird er mit dem
    Friedenspreis des Buchhandels geehrt.

    Frankfurt/Main/Köln - Ein Werk, "in dem Europa und die muslimische
    Türkei zusammenfinden" - dies sei die große Leistung des 53-jährigen
    Autors, der auf der Frankfurter Buchmesse den mit 25.000 Euro
    dotierten Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten wird. Der
    in Istanbul geborene Orhan Pamuk wuchs in einer gutbürgerlichen
    Familie auf und studierte Architektur sowie Journalismus. Er gilt
    heute als einer der bedeutendsten Prosaschriftsteller der jüngeren
    türkischen Generation. Seine Werke wurden bislang in 34 Sprachen
    übersetzt und in mehr als 100 Ländern veröffentlicht.

    Auf Deutsch sind unter anderem die Bücher "Die weiße Festung", "Das
    schwarze Buch", "Das neue Leben" und "Rot ist mein Name"
    erschienen. Von der Kritik hoch gelobt wurde zuletzt sein Roman
    "Schnee". Die "New York Times" feiertedas Werk als bestes
    ausländisches Buch des Jahres 2004.

    Der in Istanbul lebende Schriftsteller sei einem Begriff von Kultur
    verpflichtet, "der ganz auf Wissen und Respekt vor dem anderen
    gründet", so der Stiftungsrat zu seiner Wahl. In seinen Romanen "Die
    weiße Festung", "Rot ist mein Name" oder "Schnee" verbinde Pamuk
    "orientalische Erzähltraditionen mit den Stilelementen der westlichen
    Moderne".

    Er entwickele Bilder und Begriffe, die die Gesellschaft in einem nicht
    eng verstandenen Europa gebrauchen werde. So eigenwillig das
    einzigartige Gedächtnis des Autors in die große osmanische
    Vergangenheit zurückreiche, so unerschrocken greife er die brennende
    Gegenwart auf, trete für Menschen- und Minderheitenrechte ein und
    beziehe immer wieder Stellung zu den politischenProblemen seines
    Landes, heißt es in der Begründung weiter.

    Beim Münchener Hanser Verlag, der die Werke Pamuks in Deutschland
    herausgibt, mischen sich Freude, Stolz und auch ein wenig Sorge. Wie
    die Nachrichtenagentur dpa berichtet, habe Pamuks Lektorin Anna Leube
    auf die Nachricht vom Friedenspreis "voller Freude, aber auch mit
    etwas gemischten Gefühlen" reagiert. "Die Entscheidung hat angesichts
    der aktuellen europapolitischen Lage ja schon etwas Brisantes",
    erklärte sie heute. Nach den Anfeindungen gegen den türkischen
    Schriftsteller in seinem Heimatland, "bange ich ein bisschen, weil
    Pamuk durch den Preis noch mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit
    geraten wird".

    Der im Februar erschienene Roman "Schnee", der das Verhältnis von
    traditionellem Islam und Moderne in der Türkei thematisiert, ist laut
    Leube Pamuks erstes dezidiert politisches Buch. "Früher hat er gesagt,
    er wolle kein politischer Schriftsteller sein, aber mit 'Schnee' hat
    er nach seinen historischen Romanen neues Terrain betreten." Dabei sei
    es für den Autor wichtig, dass "Schnee" "nicht auf die jetzige
    Situation anspielt, auch wenn das Thema für uns gerade so aktuell
    ist".

    Der Hanser Verlag will demnächst Pamuks erstes auf Deutsch
    erschienenes Buch "Die weiße Festung" (Insel Verlag, 1990) neu
    herausbringen. Im Herbst 20006 soll dann ein hierzulande bislang
    unveröffentlichter Text Pamuks erscheinen: eine Art Erinnerungsbuch an
    Pamuks Heimatstadt Istanbul.

    Für den Kölner Autor und Publizisten Ralph Giordano ("Die Bertinis")
    ist die Vergabe des Friedenspreises an Pamuk eine ausgezeichnete
    Wahl. "Kollegiale Glückwünsche an Orhan Pamuk, Kompliment aber auch an
    die Organisation 'Deutscher Buchhandel'. Mit der Verleihung 2005 hat
    sie ins Schwarze getroffen", sagte Giordano, 82, heute der dpa in
    Köln. Pamuk habe sich öffentlich gegen die "türkische Lebenslüge"
    gestellt.

    Pamuk wird von nationalistisch gesinnten Türken angefeindet, seit er
    behauptete, in der Türkei seien 30.000 Kurden und eine Million
    Armenier ermordet worden. Sein mutiges Bekenntnis habe den Dissidenten
    ins Exil gezwungen, betonte Giordano, der für die ARD 1986 eine
    Dokumentation über den Massenmord an den Armeniern produziert hatte.

    Giordano verlangte vom "angeblichen EU-Musterschüler Türkei" eine
    Anerkennung der Geschehnisse von 1915 als "Völkermord". Nach Ausbruch
    des Ersten Weltkriegs hatten türkische Truppen Armenier in
    Hungermärschen in die syrische Wüste getrieben, wobei nach Angaben
    internationaler Historiker 600.000 bis 800.000 Menschen ums Leben
    kamen.
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