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Massiver Druck Auf Orhan Pamuk

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    MASSIVER DRUCK AUF ORHAN PAMUK

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    Tu rkei
    Istanbuls Staatsanwalt klagt Orhan Pamuk an
    Von Hubert Spiegel
    31. August 2005 Orhan Pamuk hat keinen Hehl daraus gemacht, daÃ~_ seine
    persönliche Lage in der turkischen Heimat in den letzten Jahren zunehmend schwierig
    wurde.

    Die Hetze nationalistischer Kreise gegen den international bekanntesten
    Schriftsteller der Turkei nahm dabei zum Teil beängstigende Formen an. Pamuk, der
    in diesem Jahr den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhält, hat dies
    nur angedeutet, als er im Gespräch mit dieser Zeitung vor wenigen Wochen
    sagte: â~@~^Zu oft - und jedes Mal mit mehr Nachdruck - wurde mir nun schon gesagt,
    ich solle auf meine Worte achtgeben, auf meine Bucher, meine Kommentare, meine
    Interviews, auf jede Ã~DuÃ~_erung, die ich Journalisten oder Ausländern
    gegenuber fallenlasse" (Orhan Pamuk im Interview). Jetzt ist der Druck auf den
    Friedenspreisträger noch einmal massiv erhöht worden: Die turkische
    Staatsanwaltschaft hat ein Verfahren gegen den Dichter eröffnet, das Pamuk mit einer
    Haftstrafe von bis zu drei Jahren bedroht.

    Dafur hassen Sie mich
    Der Staatsanwalt des Istanbuler Bezirks Sisli beruft sich dabei auf Artikel
    301/1 des turkischen Strafgesetzbuches, der die Herabsetzung oder
    Beschädigung der â~@~^turkischen Identität" und des â~@~^Turkentums" als Straftat definiert
    und Freiheitsstrafen zwischen sechs Monaten und drei Jahren dafur vorsieht.

    Pamuk werden Ã~DuÃ~_erungen aus einem Interview zur Last gelegt, das im Februar
    dieses Jahres im Magazin des Schweizer â~@~^Tages-Anzeigers" erschienen ist. Damals
    hatte Pamuk kritisiert, daÃ~_ die Massaker an den Armeniern in der Turkei noch
    immer tabuisiert sind: â~@~^Man hat hier dreiÃ~_igtausend Kurden und eine Million
    Armenier umgebracht. Und fast niemand traut sich, das zu erwähnen. Also mache
    ich es. Und dafur hassen sie mich."

    Wie der Generalstaatsanwalt aus der bloÃ~_en Erwähnung historisch weitgehend
    verburgter Opferzahlen ein Verbrechen wider das Turkentum konstruieren will,
    bleibt vorerst sein Geheimnis. Ebenso rätselhaft bleibt, warum ein Land, das
    seine Aufnahme in die Europäische Union energisch betreibt, einen seiner
    prominentesten kulturellen Botschafter mit Freiheitsentzug bedroht, weil er sagt,
    was in jedem Geschichtsbuch auÃ~_erhalb der Turkei nachzulesen ist. Orhan Pamuk
    befurwortet den EU-Beitritt seines Heimatlandes. Nun muÃ~_ ihn neben der
    persönlichen Bedrohung besonders schmerzen, daÃ~_ ausgerechnet sein Fall die
    Hoffnungen der Turkei erheblich schmälern könnte. Denn wer in Europa wird sich noch
    fur die Aufnahme eines Landes aussprechen, das seine bedeutendsten Dichter
    verfolgt, weil sie historische Wahrheiten aussprechen? Wie immer der ProzeÃ~_
    ausgeht, er hat schon jetzt mehr daruber verraten, welches Verständnis der â~@~^
    turkischen Identität" von Teilen der Justiz des Landes gepflegt wird, als dem
    turkischen Volk lieb sein kann.

    Ein typischer Gummiparagraph
    Der Artikel 301/1 ist ein typischer Gummiparagraph, denn weder die â~@~^
    turkische Identität" noch der Akt ihrer Herabsetzung sind darin näher definiert. So
    ist beides vollkommen ins Ermessen der Justiz gestellt und sind der Willkur
    Tur und Tor geöffnet. In jungster Zeit soll der Paragraph Intellektuellen
    gegenuber bereits mehrfach aus der Mottenkiste der Repression gezogen worden sein,
    ohne daÃ~_ es aber zu Verfahren gekommen wäre. Deshalb schien ein ProzeÃ~_ gegen
    Pamuk zunächst wenig wahrscheinlich, als die deutsche Ausgabe der
    weitverbreiteten turkischen Zeitung â~@~^Hurriyet" vor einigen Monaten meldete, daÃ~_ die
    Staatsanwaltschaft in Istanbul die Möglichkeit eines Verfahrens gegen den
    Schriftsteller prufe. â~@~^Hurriyet" gehört zu den turkischen Zeitungen, die Pamuk
    als â~@~^Hund" oder â~@~^elende Kreatur" zu bezeichnen pflegen.

    Entscheidend fur die Einschätzung des Vorgangs durfte jedoch nicht zuletzt
    die Frage sein, wie die treibenden Kräfte hinter dem Verfahren beschaffen
    sind. Als vor einigen Monaten ein Landrat in der turkischen Provinz die in
    funfunddreiÃ~_ig Sprachen ubersetzten Bucher Pamuks aus den öffentlichen Bibliotheken
    seines Machtbereiches verbannen und vernichten lassen wollte, wurde der
    Vorfall hierzulande eher als Kuriosum verbucht. Denn zum einen riefen
    ubergeordnete Instanzen den Mann zur Ordnung, zum anderen stellte sich heraus, daÃ~_ in
    den Regalen der betroffenen Bibliotheken ohnehin kein einziges Werk Pamuks zu
    finden war. Aber auch diese Farce hatte einen ernsten Kern, zeigte sie doch,
    wie blindwutig jene vorgehen, die allein ihr Ressentiment zum Handeln treibt.

    Unklare Motivlage
    Noch läÃ~_t sich nicht erkennen, welche Motivlage diesmal das absurde Vorgehen
    gegen Orhan Pamuk steuert. Handelt hier ein Bezirksstaatsanwalt auf eigene
    Faust oder auf Anweisung? Duldet oder unterstutzt der Justizapparat dieses
    Vorgehen? Man darf gespannt sein, ob und wie die turkische Regierung das
    Verfahren gegen den Friedenspreisträger des Deutschen Buchhandels kommentiert. Als
    der Deutsche Bundestag im vergangenen Juni die Massaker an den Armeniern vor
    neunzig Jahren verurteilte und dabei ausdrucklich die deutsche Mitschuld
    betonte, fand der turkische AuÃ~_enminister erstaunlich deutliche Worte: Der
    Bundestag habe â~@~^verantwortungslos, besturzend und verletzend" gehandelt.

    Orhan Pamuk selbst hat gegenuber dieser Zeitung erklärt, daÃ~_ er sich vorerst
    nicht zu dem Verfahren äuÃ~_ern möchte, das am 16. Dezember in Istanbul gegen
    ihn eröffnet werden soll. Aber im Gespräch ist ihm anzumerken, wie sehr ihn
    dieser Schritt der Istanbuler Staatsanwaltschaft bedruckt. Es ist ein Schritt
    in die falsche Richtung. Denn er fuhrt die Turkei weg von Europa.

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