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Kobane, Transit Station Of The Armenian Genocide (In German)

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    KOBANE, TRANSIT STATION OF THE ARMENIAN GENOCIDE (IN GERMAN)

    Der Standard, Osterreich (Austria)
    23 april 2014

    Kobane, Durchgangsstation des Armenier-Genozids

    Blog | Markus Bernath
    23. Oktober 2014, 12:36

    Geschichtsbucher auf: Wo Kurden und Islamisten heute in Kobane
    kämpfen, trieben die Jungturken 1915/16 tausende Armenier durch

    Während die Kurden der syrischen PYD und die Sunni-Islamisten der IS
    in Kobane ihre epische Schlacht fuhren, passieren seltsame Dinge in
    Suruc, dem Städtchen und dem gleichnamigen Distrikt auf der turkischen
    Seite der Grenze: Ein ehemaliger Burgermeister und wichtiger kurdischer
    Stammesfuhrer wird zusammen mit seinem Sohn im Auto erschossen; eine
    Korrespondentin des iranischen Senders Press TV, die vom turkischen
    Geheimdienst beschuldigt wurde, eine Spionin zu sein, stirbt bei einem
    mysteriösen Verkehrsunfall; ein Fuhrer einer syrischen Rebellengruppe,
    die ebenfalls derzeit in Kobane gegen die IS kämpfen soll, wird auf
    turkischem Boden in der nicht weit von Suruc entfernten Stadt Urfa von
    mutmaÃ~_lichen IS-Mitgliedern angeschossen und zeitweise entfuhrt -
    es gilt als Indiz dafur, dass sich die Islamisten der Terrormiliz
    frei in turkischen Städten bewegen können.

    Die Vorfälle der vergangenen Tage sind nicht ganz klar und Gegenstand
    von allerhand Spekulationen, aber sie mögen Vorboten des anrollenden
    Krieges sein, in den die Turkei nun weiter hineingerät. Doch
    Suruc, Kobane und die umliegenden Regionen sehen keineswegs zum
    ersten Mal Krieg und Gewalt. 1915, vor bald hundert Jahren, sind
    hier die Armenier des Osmanischen Reichs durchgetrieben worden auf
    dem Weg in den Tod nach Deir ez-Zor in der syrischen Wuste. Suruc
    war von dem Regime der Jungturken in Istanbul als eines von funf
    Internierungsgebieten festgelegt worden (neben Aleppo, Katma, Muslimiye
    und Ras al-Ayn/Serekane, einer anderen, heute turkisch-syrischen
    Grenzstadt, in der Kurden und IS derzeit kämpfen).

    Leichen vor der Stadt

    Einige tausend armenische Familien, die den monatelangen Transport
    und FuÃ~_marsch aus Sivas und Erzerum in Ostanatolien uberlebt
    hatten - heute 600 bis 800 StraÃ~_enkilometer, je nach Route -,
    kamen im Sommer und Herbst 1915 in Suruc an. Leichen sollen vor der
    Stadt gelegen sein, die Schwerkranken sperrten die Behörden zum
    Sterben weg, die Uberlebenden kamen in Zelte am Stadtrand von Suruc
    - am selben Ort wie heute, wo viele der kurdischen Fluchtlinge aus
    Kobane und den umliegenden Dörfern in Zeltlagern der turkischen
    Katastrophenschutzbehörde Afad untergebracht sind und nach den
    Standards des UNHCR.

    Der Vertriebenenkonvoi aus Erzerum vor 99 Jahren soll in erheblich
    besserer Verfassung in der Kleinstadt vor der syrischen Wuste
    eingetroffen sein als jener von Sivas, schreibt der französische
    Historiker Raymond Kevorkian ("The Armenian Genocide. A Complete
    History", I. B. Tauris 2011): Diese armenischen Familien hatten
    noch Fuhrkarren und einiges Hab und Gut; manche konnten mit
    Wechselschreiben, die sie noch bei sich hatten, Bargeld erhalten,
    die Beamten in Suruc bestechen und sich den Umständen entsprechend
    erträglich einrichten. Ende 1915 war gleichwohl Schluss. Das
    Innenministerium in Istanbul drängte auf die Fortsetzung der
    Deportation. Am 1. Jänner 1916 wurde der Befehl zum Weitermarsch
    der Armenier in die Provinz Rakka gegeben - heute die Hochburg der IS.

    1.851 Frauen, Männer, Kinder mussten am 9. Jänner, von den
    osmanischen Gendarmen bewacht, aus Suruc in die Wuste losziehen,
    berichtet Kevorkian.

    Die Sammellager in Suruc und anderen Städten an der heutigen
    turkisch-syrischen Grenze waren eigentlich im Rahmen einer begrenzten
    Neuansiedlungspolitik fur einen Teil der Armenier geplant, die das der
    Regime der Jungturken aus anderen Teilen Anatoliens vertreiben lieÃ~_.

    Auch diese Ansiedlungspolitik in Wustengebieten, argumentiert der in
    den USA lehrende turkische Historiker Taner Akcam ("The Young Turks'
    Crime against Humanity. The Armenian Genocide and Ethnic Cleansing
    in the Ottoman Empire", Princeton 2012), ist Teil des Völkermords
    an den Armeniern gewesen. Der Regierung des Komitees fur Einheit
    und Fortschritt - sie wurde nach Kriegsende 1918 gesturzt - ging
    es zeitweise um eine "Zerstreuung" der uberlebenden Armenier unter
    der muslimischen Bevölkerung im weit entfernten Syrien; funf bis
    maximal zehn Prozent sollten die Armenier in den Dörfern und
    neuen Ansiedlungen ausmachen. "Ein solches Ergebnis konnte nur
    durch Auslöschung (von Menschenleben, Anm.) erreicht werden",
    schreibt Akcam.

    Armenierlager in Kobane

    Wenige Kilometer entfernt von Suruc oder Serudj, wie es auf Karten
    der französischen Mandatsverwaltung (1920-1946) genannt wird,
    entstand 1915 auch ein anderes Internierungslager: Arab Punar oder
    Arabounar, wie die Armenier es nannten - das heutige Kobane fur die
    Kurden und Ayn al-Arab, wie es von den syrischen Behörden im Zuge
    einer Arabisierungspolitik später benannt wurde. 15.000 Deportierte,
    meist aus Sivas, trafen hier im September 1915 ein. Die meisten waren
    krank und entkräftet. 150 bis 170 Menschen starben jeden Tag, so
    zitiert Kevorkian einen Augenzeugen; an die 4.000 Tote sind es nach
    einigen Wochen. Einem Teil gelingt es, sich vorubergehend in Suruc
    zu verbergen.

    Die Konya-Bagdad-Bahn fuhrt hier entlang, 1903 noch im Osmanischen
    Reich begonnen und bis 1940 fertiggestellt; sie ist bis heute von
    KarkamiÅ~_/Garablus (unter Kontrolle der IS) bis Nusaybin/Qamishli
    (unter der Kontrolle der Kurden der PYD) auf turkischer Seite die
    Grenzlinie zu Syrien. Kobane war zunächst nur eine Bahnstation, heute
    ist es MurÅ~_itpinar, der Grenzubergang nach Kobane, 18 Stationen
    nach Gaziantep. Arab Punar/Kobane wird 1920 noch eine Rolle spielen,
    als sich die turkischen Truppen in Urfa gegen die französische
    Mandatsmacht erheben. Die Franzosen gaben nach zwei Monaten Belagerung
    ihre Garnison auf, die Turken sicherten ihnen freies Geleit zu bis
    Arab Punar. Gegluckt ist das nicht: Der französische Trupp geriet
    auf dem Weg in einen Hinterhalt angeblich der Kurden, die meisten der
    noch 300 Soldaten starben. (Markus Bernath, derStandard,at, 23.10.2014)

    http://derstandard.at/2000007205103/Kobane-Durchgangsstation-des-Armenier-Genozids

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