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Berlinale: Das Martyrium der Armenier

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  • Berlinale: Das Martyrium der Armenier

    General-Anzeiger (Bonn)
    15. Februar 2007

    Berlinale: Das Martyrium der Armenier

    von Thomas Kunze


    Viele Zuschauer im Berlinale-Film "Das Haus der Lerchen" schlagen
    immer wieder die Hände vors Gesicht. Andere starren mit weit
    aufgerissenen Augen auf die Leinwand - als wollten sie nicht glauben,
    was sie da sehen. Doch die grauenvollen Bilder des neuen Werks der
    italienischen Regisseure Paolo und Vittorio Taviani ("Die Nacht von
    San Lorenzo") über den Massenmord an den Armeniern im Osmanischen
    Reich spiegeln historische Wahrheit wider. Die Brüder betonen, dass
    die Darstellung der Gräuel an den Armeniern bis ins Detail historisch
    belegt sei.

    Mehrere hundert Festivalbesucher sahen den Streifen in einer ersten
    Vorführung für die Presse. Viele von ihnen verharrten auch nach dem
    Schluss des Films noch wie betäubt auf ihren Plätzen. Abgesehen von
    dem Drama "Ararat" (2002) des kanadisch-armenischen Filmemachers Atom
    Egoyan gibt es bislang kaum größere Spielfilme über den Völkermord
    während des Ersten Weltkriegs an den Armeniern, der in der Türkei bis
    heute ein Tabuthema ist. Die Vereinten Nationen bewerten die von
    langer Hand geplanten Massaker als Völkermord.

    Die Berliner Polizei hatte zuvor Berichte zurückgewiesen, wonach der
    Film auf dem Festival in Berlin Proteste besonders bei der Türkischen
    Gemeinde auslösen könnte. Es gebe keine Hinweise, dass es zu
    Störungen im Zusammenhang mit der Aufführung kommen könne. Ähnlich
    hatte sich auch die Berlinale-Leitung geäußert. In der Türkischen
    Gemeinde in Deutschland ist der Film noch kein Thema, da ihn bisher
    niemand gesehen habe, sagte der Gemeindevorsitzende Kenan Kolat.

    Der Film, in dem Moritz Bleibtreu einen türkischen Soldaten spielt,
    läuft in der Reihe "Berlinale Special" im offiziellen Programm. Er
    zeigt den von den sogenannten Jungtürken im Ersten Weltkrieg an den
    Armeniern begangenen Massenmord am Beispiel einer wohlhabenden
    armenischen Familie in einer türkischen Kleinstadt. Trotz oder gerade
    wegen dieser Reduktion macht der Film ein unvorstellbares Martyrium
    deutlich.

    Die männlichen Armenier vom Säugling bis zum Greis werden von der
    Soldateska sofort abgeschlachtet. Die Frauen und Mädchen werden auf
    den Todesmarsch in die Wüste geschickt und sind dabei Freiwild für
    die Wachmannschaften. Am Ende werden auch noch die wenigen
    Überlebenden massakriert. Ziel der Jungtürken ist von vornherein die
    Vernichtung aller Armenier auf türkischem Boden.

    Wegen der Verfolgung von Intellektuellen, die sich öffentlich zu dem
    Genozid geäußert haben, ist die Regierung in Ankara auch bei der
    Europäischen Union in die Kritik geraten. Der Schriftsteller Orhan
    Pamuk war nach kritischen Äußerungen zum türkischen Massenmord an den
    Armeniern wegen "Beleidigung des Türkentums" angeklagt worden. Der
    Prozess wurde Anfang vergangenen Jahres eingestellt. Der Literatur-
    Nobelpreisträger wird - wie der kürzlich in Istanbul auf offener
    Straße erschossene türkisch-armenische Journalist Hrant Dink - in der
    türkischen Öffentlichkeit teilweise angefeindet.
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